Vorabenddemo in Lübeck

MIT DEM BESTEHENDEN BRECHEN! FÜR EIN LEBEN OHNE LOHNARBEIT …UND PATRIARCHAT
Der 1. Mai wurde in den letzten Jahrhunderten von so vielen unterschiedlichen Systemen unterschiedlich Interpretiert. Für den deutschen Faschismus war er ein angeblicher „nationaler Feiertag des Deutschen Volkes“. Im autoritären Staatskommunismus der DDR hieß der 1. Mai, dass man an staatlich inszenierten Demonstrationen teilnehmen musste und gefeiert wurde, dass die ausbeuterischen Verhältnisse anscheinend besiegt wären. Heute hat der Tag kaum noch eine Bedeutung, abseits von ein paar von der Stadt veranstalteten Straßenfesten mit massig sinnlosem (Alkohol-)Konsum. Die Gewerkschaften laufen mittags durch die Straßen und hätten gerne ein paar Euro mehr die Stunde, ein paar Parteien sind auch unterwegs, eifrig auf der Suche nach neuen Stimmen für die nächste Wahl und abends sieht man dann noch manchmal ein paar Vermummte, die von Revolution reden, während sie von einem massiven Polizeiaufgebot inklusive Wasserwerfern und Helikoptern nach ein paar hundert Metern verprügelt werden.
Die meisten Menschen bekommen jedoch von diesem Spektakel nichts mit. Sie sitzen auf der Couch, am Strand oder im Park und versuchen sich für diesen einen Tag vom Stress der Arbeitswoche zu erholen. Denn sie alle leiden unter dem, was am 1. Mai gefeiert wird: Die Arbeit. Diese Arbeit, die uns 40 oder mehr Stunden unserer Woche raubt, die uns jeden Morgen wider Willens aus dem Bett zwingt und uns weißmachen will, wir bräuchten sie. Diese Arbeit ist kein Grund zu feiern. Was all die genannten Interpretationen des 1. Mai gemeinsam haben ist, dass sie nie im Ansatz versucht haben den Umstand zu ändern, dass wir jeden Tag auf‘s Neue zur Arbeit müssen. Jedes System und jede Ideologie baut im Grunde darauf, dass die Mehrheit der Bevölkerung stillschweigend zur Arbeit geht um das System, das sie ausbeutet am Laufen zu halten. Dieser Grundzug der Arbeit, dass die meisten von uns niemals das verdienen, was ihre Leistung wert wäre, dass am Ende der 8- Stunden-Schicht nur die Person gewinnt, die eine Stufe höher sitzt in der Hierarchie und dass wir arbeiten müssen um nicht abzusteigen im ewigen Wettlauf dieses Lebens. All diese Umstände haben sich nie geändert und werden es auch nicht. Nicht durch 12,- Mindestlohn, nicht durch „flexible“ Arbeitszeiten, nicht durch „flache Hierarchien“. Der 1. Mai ist für uns ein Tag, an dem wir all die ausgehölten alljährlichen Rituale verweigern und uns wehren. Wir wehren uns gegen die 40 Stunden, die uns jede Woche geklaut werden und im Angesicht der Inflation eh nichts mehr wert sind; gegen das Arbeitsamt, das uns jeden Tag, an dem wir uns weigern uns zu verkaufen, zur Hölle machen will; gegen das beklemmende Gefühl am Ende des Monats, wenn die Taschen leer sind; gegen unsere Chef*innen, die sich als unsere Freund*innen darstellen wollen, uns aber doch nach drei unentschuldigten Fehltagen kündigen.
An diesem Tag stehen wir ganz im Zeichen der wütenden Arbeiter*innen vor 150 Jahren und wehren uns gegen das System der Arbeit selbst. Es ist weiterhin ein Tag für all jene, die mit Wut im Bauch durch das Leben laufen und keinen Bock mehr haben, unterdrückt zu werden. Für sie und für uns ist es ein Tag, diese Wut auf die Straße zu tragen. Wir wollen diese Wut all jede spüren lassen, die für unser Elend verantwortlich sind: Die Politik, die uns in diesem System halten will; den Staat, der mit harter Hand durchgreift, wenn wir uns ihm verweigern und dem Kapitalismus, der uns durch Erpressung mittels Armut weiterhin im Hamsterrad der Arbeit laufen lässt.

Es ist Abend. Langsam, aber stetig nimmt das Licht ab. Das Licht, das so vielen Menschen in dieser Welt Sicherheit bietet. Denn gesehen werden ist wichtig. Sobald es dunkel auf den Straßen ist, beherrschen uns Gefühle des Verfolgtsein, der Unsicherheit bis hin zur Angst. Wir alle kennen dieses Gefühl. Wirklich alle? Natürlich nicht. In dieser Realität, in der wir leben, gibt es jene, die völlig frei und zügellos durch die Nächte streifen. Kein Funken von Angst, kein Anzeichen von Sorge.

Die Realität, in der wir leben, ist patriarchal. Macker und Sexist*innen beherrschen sie. In allen Lebensbereichen schränkt uns das ein. Auf der Arbeit werden wir schlechter bezahlt, nur weil in unserem Ausweis das „falsche“ Geschlecht steht. Man traut uns nicht zu, dass wir genau dasselbe leisten und erreichen können wie jede*r andere auch. Von Beginn an drillt man uns in Carearbeit, egal ob beruflich oder privat. Da soll unser Platz sein. Im Privaten geht der Scheiß weiter. Uns wird gesagt, was sich angeblich schickt oder auch nicht, wir werden als Eigentum oder Trophäe betrachtet, ausgestellt, abgestellt und abgeknallt. Denn der Tod ist die bittere Konsequenz dieser patriarchalen Welt. Eine Welt voller Gewalt gegen alle FLINTA* da draußen.

Aus diesen und so vielen weiteren Gründen gehen überall FLINTA* am 30.04. unter dem Motto „Take Back The Night“ auf die Straße. Um sich die Nächte laut, wütend und kämpferisch zurückzuerobern.

Deshalb nehmen auch wir uns am 30.04 um 19 Uhr vom Konrad-Adenauer- Platz aus zusammen die Straßen Lübecks und zeigen wie laut unsere Stimmen sind, wie groß unsere Wut auf das Bestehende ist und wie viel Feuer unser Kampf gegen das Patriarchat hat. Lasst uns gemeinsam, als Freund*innen, Gefährt*innen, Kompliz*innen mit dem Bestehenden brechen und gegen Lohnarbeit und Patriarchat auf die Straßen gehen!

Für ein Lieben, Lachen und Tanzen in Freiheit!