1. Mai 2022

Verboten gut – Anarchismus in die Offensive am 1. Mai 2022

Mehr als zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns. Zwei Jahre, die viele Tote und viel Leid verursacht haben. Eine Zeit, die uns als linksradikale, anti-autoritäre Bewegung vor Herausforderungen gestellt hat, denn natürlich wollen wir niemanden gefährden und die Verbreitung des Virus eindämmen. Wir wollen uns so verhalten, dass niemand unserer Mitmenschen unnötig gefährdet wird, doch trotz alledem wollen wir auch weiterhin für eine Welt kämpfen, in der es sich zu leben lohnt.

Während wir mit teilweise hilfloser Abscheu auf die Tausenden geschaut haben, die sich bei den sogenannten „Coronaprotesten“ vor den Karren von Faschist*innen spannen ließen oder deren Agenda bereitwillig mittrugen, zeigt sich wieder, dass der Faschismus in Deutschland  alles andere als überwunden ist und sich große Teile des Bürgertums in der Krise immer wieder nach rechts außen orientieren.

Während Rechtsradikale Aufwind bekamen, rieben sich auch die Law-and-Order-Fans in der Politik ihre Hände: Unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes gab es Freiheitsbeschränkungen, wie schon lange nicht mehr- natürlich nur für uns – die lohnabhängige und benachteiligte Bevölkerung. Kapital und Wirtschaft wurden geschont und unterstützt: Die Mächtigen gaben mal wieder einen Scheiß auf ihre eigenen Gesetze und feierten, wie Andy Grote und Boris Johnson, während der vielen Lockdowns Sektempfänge. Und während wir viele der Coronamaßnahmen mittrugen, da sie uns sinnvoll erschienen, oder wir es zeitweise nicht besser wussten, erreichten die Einschnitte auch Bereiche, die selbst bei bürgerlichen Demokrat*innen bisher als unantastbar galten. Zwei Jahre in Folge wurden fast sämtliche Teilbereiche unseres Lebens, von der Bewegungsfreiheit über das Recht auf Privatsphäre bis hin zum Recht auf progressiven Protest, eingeschränkt oder verboten. Verschwörungsideolog*innen und Faschist*innen durften währenddessen lange weitgehend ungestört ihre Propaganda und nebenbei noch ihre Viren in den Städten verbreiten. Wir erinnern uns alle daran, dass Querdenker*innen von den gleichen Bullen geschützt wurden, die wenige Tage später emanzipatorische Demos nicht laufen ließen.

Zweimal traf es auch unsere Demonstration am 1. Mai. Beim ersten Mal sahen wir die Gefahr der Covid-Pandemie noch als so schwer einschätzbar, dass wir nachgaben. Doch 2021 war die Schikane zu offensichtlich. Trotz des Verbots gingen Menschen spontan auf die Straße um zu zeigen: Der 1. Mai ist ein Kampftag und er ist antiautoritär. Der Staat reagierte wie er es nun mal tut: Mit Repression und Gewalt.

Die Situation hier ist beschissen und nicht hinnehmbar, doch uns ist bewusst, dass viele Gefährt*innen noch weitaus härtere Kämpfe austragen müssen. Weltweit ist die Freiheit der Menschen unter Beschuss. In Russland werden Teenager wegen anarchistischen Gedankenguts zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Besetzte Häuser und Wälder in der BRD, Griechenland und an vielen anderen Orten wurden in letzter Zeit geräumt. In Myanmar hat das Militär geputscht, Anarchist*innen stehen dort mit vielen weiteren sozialen Rebell*innen an vorderster Front im Kampf gegen die Militärdiktatur. Russland marschierte in der Ukraine ein auch hier mussten Anarchist*innen eine Wahl treffen, die wir niemandem wünschen: Stellen sie sich auf Seite des Nationalstaates, der sie in Friedenszeiten verfolgt oder riskieren sie Putins Diktatur?

Und auch wenn die Augen der Welt auf der Ukraine liegen, gehen Kriege auf der ganzen Welt weiter. Rund um die Welt fallen Bomben, auch auf Syrien, wo der NATO-Staat Türkei ungehemmt weiter in Rojava mordet.

Es sieht schlimm aus auf der Welt, aber das ist nichts Neues. Wir können uns nicht erlauben zu resignieren, wir können uns nicht erlauben, nachzugeben oder abzustumpfen.
Gegen die Barbarei der Reaktion, gegen das blutige Geldscheffeln des Kapitalismus, gegen die Unterdrückung unserer Freiheiten, die historisch von Millionen Genoss*innen mühsam und leidvoll errungen wurden, heißt es jeden Tag zu kämpfen. Die Utopie, von der wir alle träumen liegt im Angesicht der autoritären Formierungen dieser Welt alles andere als in greifbarer Nähe.

Doch viele kämpferische Momente, die den Alltag lebenswert machen, geben uns Hoffnung. Die Selbstorganisation jenseits staatlicher Strukturen in Zeiten der Pandemie oder des Krieges lässt erahnen wie eine Welt der gegenseitigen Hilfe und Solidarität aussehen könnte. Momente der Hoffnung schufen auch all jene Jugendlichen, die sich in den beiden Corona-Sommern mit kämpferischem Widerstand den Bullen widersetzten, die ihre letzten verbliebenen Freiräume zerstören wollten. Mut machten uns auch die aufständischen Momente, die sich im Zuge der Inhaftierung Linas, der Räumung des Köpi-Wagenplatzes und der Bedrohung der Rigaer 94 ergaben, sowie alle anderen, die sich nicht unterkriegen ließen.

All diese Kämpfe, mögen sie auch noch so verschieden sein, finden sich wieder im

Gedanken der Anarchie, der sozialen Revolte. Sie zeigen uns, dass unsere Hoffnung auf ein besseres Leben im Anarchismus, dem freiheitliche Kommunismus, der antiautoritären Selbstorganisation und der Freien Assoziation liegt,

Wir stellen uns gegen die Vereinnahmung unseres Kampftages aller Unterdrückten, dem 1. Mai, durch Faschist*innen und die Verräter*innen von DGB und SPD. Wir stellen uns auch gegen autoritäre Strömungen, die die Botschaft der Solidarität missbrauchen, um zu hetzen und ihren menschenfeindlichen Einfluss auszubauen. Nur eine Gesellschaft der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe, die sich an unseren Bedürfnissen orientiert ist, bietet die Chance auf eine lebenswerte Zukunft.

Das wissen sie, die Regierenden, die Bullen, die Faschist*innen, die Autoritäten dieser Welt. Sie wissen, dass sie dieser Gesellschaft im Weg stehen und ihre Macht dort keinen Platz mehr hat. Deshalb ist ihnen die Anarchie schon immer ein Dorn im Auge. Deshalb versuchen sie uns auf der ganzen Welt klein zu halten. Mal mehr, mal weniger blutig. Deshalb ist Anarchismus eben verboten. Verboten Gut!

Kommt mit uns am 1. Mai 2022 auf die Straße. Für einen rebellischen und antiautoritären 1.Mai.

Unsere Wut und unser Hass müssen raus. Am Kampftag der Arbeiter*innenbewegung, wie an jedem anderen Tag. Wir nehmen uns die Straße – ob sie wollen oder nicht. Sie gehört uns allen. Den Lohnabhängigen, denjenigen, die marginalisiert werden, wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer Geschlecht(sidentität) oder Sexualität, wegen irgendwelchen menschengemachten Kategorien. Die Straße gehört der Klimabewegung, den FLINTA*-Personen1, den Unbequemen und allen Menschen, die die Schnauze voll haben und endlich in Freiheit und Solidarität, im Frieden mit allen Mitmenschen und dem Planeten leben wollen. Deshalb heißt es am 1. Mai: Verboten Gut – Anarchismus in die Offensive.

Schließt euch uns an – Im AnarchX-Block, im Klimablock, im FLINTA*-Block oder im bunten Block!

1.5.22 Maidemo, Hamburg, 18:00 Uhr S-Bahn Wilhelmsburg/Neuenfelder Straße

30.4.22 Vorabenddemo, Lübeck, 19:00 Uhr, Konrad-Adenauer-Platz

1FLINTA=Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-binäre, Trans-, Agender-Personen