Verboten gut – Anarchismus in die Offensive am 1. Mai 2022

+++++++++ Erstes Statement nach der Demo ++++++++

CN: Polizeigewalt, Schilderung von Verletzungen

 

Leute, wir sind super wütend und super müde. Trotzdem ein schnelles Statement von uns zum #hh0105. Bis gerade eben waren Menschen von uns unterwegs, um andere aus dem Krankenhaus abzuholen oder zu versuchen, Gesa-Support zu organisieren. Letzteres war zum Glück nicht nötig, alle Leute sind wieder frei. Wenn ihr Repression erfahren habt, meldet euch beim EA, der Roten Hilfe, oder bei uns (schwarzroter1mai@riseup.net). Wir lassen niemanden alleine! Solidarität ist unsere Antwort auf ihre Repression. Die Bullen sind mit unglaublicher Gewalt auf unseren Demozug losgegangen. Wenige Meter vor der Schlusskundgebung. Völlig unprovoziert. Es gab aus unserer Demo heraus zu keinem Zeitpunkt Gewalt. Alles andere ist eine dreckige Lüge. Die ganze Demo über provozierten hunderte, wenn nicht mehr, Bullen und stoppten die Demo immer wieder auf. Eine angemeldete Schirmchoreografie passte ihnen nicht. Mundnasenschutz (angemeldet und immer noch bitter nötig) passte ihnen nicht. Und hin und wieder gab es Pyro, das passte ihnen auch nicht. Im schlimmsten Fall also ein paar Ordnungswidrigkeiten. Wir reden hier von Strafzetteln! Das ist es also wert, Menschen brutal zu verletzen? Mal an die bürgerliche Blase hier: Fändet ihr es ok, fürs Falschparken ins Krankenhaus geprügelt zu werden? Auf diesem Level bewegen wir uns hier nämlich. Vor dem Bullenangriff war lange alles ruhig. Pyro gab es da schon lange nicht mehr. Trotzdem bereiteten sie einen komplett hinterhältigen Angriff vor: Erst stoppten sie die Demo auf. Dann ließen sie uns weiter laufen. Unter der S-Bahnbrücke an der Veddel hielten sie uns wieder an. Dann prügelten sie von allen Seiten auf uns ein. Schlagstöcke, Fäuste, Stiefel und Pfefferspray kam zum Einsatz. Super feige unter der Brücke, wo es keine Zeug*innen gab, keine Presse anwesend war. Um das klar zu stellen: Es ging nicht darum, uns irgendwohin abzudrängen. Es ging nicht darum, irgend eine unserer Handlungen zu unterbinden. Es gab keinen Ausweg und die Bullen schlugen auf uns ein. Einfach so. Wir versuchen hier einen vorläufigen Überblick zu geben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
– Der Anmelder der Demo wurde körperlich angegriffen
– Ärzt*innen wurden nicht zu Verletzten gelassen und geschlagen
– Die Bullen schlugen gezielt auf Köpfe ein
– Menschen gingen zu Boden, wurden dort getreten, im Gewühl fielen und liefen andere Menschen über sie
– Bullen schlugen und traten Menschen von hinten
– Es gab Platzwunden, Schädelhirntrauma, stumpfe Bauchtraumata und mehr.
– Mehrere Menschen mussten behandelt werden, einige mussten sogar ins Krankenhaus
Das alles wegen nichts und wieder nichts. Wir werden das nicht vergessen! Wir lassen uns nicht einschüchtern und nicht spalten. Die Nacht ist unsere Freundin und wir werden kreative Wege finden, es den Scheißbullen heimzuzahlen. Wir wollen die soziale Revolution, die Bullen sind unser Feind. Das wissen sie, das wissen wir. Wir kommen wieder! Für das schöne Leben! Für die Anarchie! Trotz allem war es eine stabile Demo!
Wir waren richtig viele Menschen, locker über tausend. Der Anarchismus wird immer stärker und das ist fantastisch. Vielen Dank an alle die da waren! Erholt euch, sprecht über das, was ihr heute erlebt habt und lasst euch nicht einschüchtern!

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Wir haben noch Ergänzungen zu #hh0105, die uns noch mehr als ein bisschen wütender machen:
– Eine vertrauenswürdige Person konnte kurz vor der Eskalation mithören, wie Bullen sich darüber unterhalten haben, uns genau an der Stelle anzugreifen an der sie es dann auch getan haben. Leider konnte sie uns nicht rechtzeitig warnen.
– Außer dem erwähnen Angriff auf Ärzt*innen wurde auch einer unserer Sanis von den Bullen angegriffen, während er Verletzte behandelte!
– Bei der Abreise schikanierten die Bullen Menschen, die sie zur Demo rechneten massiv. Leuten wurde verwehrt auszusteigen. Umstiege wurden erzwungen und Menschen wurden erst in der Schanze aus der Bahn gelassen. Ein klarer Fall von Freiheitsberaubung. Außerdem kam es auch auf der Bahnfahrt immer wieder zu Gewalt.
– Besonders krass: Ein Bulle am Rand der Demo sagte sinngemäß zu seinen Kollegen, dass es geil wäre, jetzt die Knarre zu ziehen und in die Demo zu schießen. Todesdrohungen an friedlich demonstrierende, an irgendwelche demonstrierende Menschen zu richten ist faschistoide Scheiße und zeigt die Geisteshaltung der Drecksbullen. Aber auch davon werden wir uns nicht einschüchtern lassen!
Ihr Leute, was wir erlebt haben war krass. Denkt bitte, bitte daran, dass ihr mit Menschen, denen ihr vertraut über die Ereignisse und die Gewalt redet, so dass ihr einen guten Umgang damit findet. Tauscht euch in euren Bezugis aus, seit offen und achtsam miteinander. Ganz viel Erfahrung haben die großartigen Menschen von Out of Action!  Bei denen könnt ihr euch melden, wenn ihr mehr Support braucht. Erholt euch alle gut, stay strong, stay rebel. Aber wenn es sein muss, lasst Schwäche zu! Wir halten zusammen und lassen niemanden im Stich. Denn Solidarität ist keine Phrase, sondern das, was uns antreibt!

 

+++++++++ Aufruf +++++++++++

Mehr als zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns. Zwei Jahre, die viele Tote und viel Leid verursacht haben. Eine Zeit, die uns als linksradikale, anti-autoritäre Bewegung vor Herausforderungen gestellt hat, denn natürlich wollen wir niemanden gefährden und die Verbreitung des Virus eindämmen. Wir wollen uns so verhalten, dass niemand unserer Mitmenschen unnötig gefährdet wird, doch trotz alledem wollen wir auch weiterhin für eine Welt kämpfen, in der es sich zu leben lohnt.

Während wir mit teilweise hilfloser Abscheu auf die Tausenden geschaut haben, die sich bei den sogenannten „Coronaprotesten“ vor den Karren von Faschist*innen spannen ließen oder deren Agenda bereitwillig mittrugen, zeigt sich wieder, dass der Faschismus in Deutschland  alles andere als überwunden ist und sich große Teile des Bürgertums in der Krise immer wieder nach rechts außen orientieren.

Während Rechtsradikale Aufwind bekamen, rieben sich auch die Law-and-Order-Fans in der Politik ihre Hände: Unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes gab es Freiheitsbeschränkungen, wie schon lange nicht mehr- natürlich nur für uns – die lohnabhängige und benachteiligte Bevölkerung. Kapital und Wirtschaft wurden geschont und unterstützt: Die Mächtigen gaben mal wieder einen Scheiß auf ihre eigenen Gesetze und feierten, wie Andy Grote und Boris Johnson, während der vielen Lockdowns Sektempfänge. Und während wir viele der Coronamaßnahmen mittrugen, da sie uns sinnvoll erschienen, oder wir es zeitweise nicht besser wussten, erreichten die Einschnitte auch Bereiche, die selbst bei bürgerlichen Demokrat*innen bisher als unantastbar galten. Zwei Jahre in Folge wurden fast sämtliche Teilbereiche unseres Lebens, von der Bewegungsfreiheit über das Recht auf Privatsphäre bis hin zum Recht auf progressiven Protest, eingeschränkt oder verboten. Verschwörungsideolog*innen und Faschist*innen durften währenddessen lange weitgehend ungestört ihre Propaganda und nebenbei noch ihre Viren in den Städten verbreiten. Wir erinnern uns alle daran, dass Querdenker*innen von den gleichen Bullen geschützt wurden, die wenige Tage später emanzipatorische Demos nicht laufen ließen.

Zweimal traf es auch unsere Demonstration am 1. Mai. Beim ersten Mal sahen wir die Gefahr der Covid-Pandemie noch als so schwer einschätzbar, dass wir nachgaben. Doch 2021 war die Schikane zu offensichtlich. Trotz des Verbots gingen Menschen spontan auf die Straße um zu zeigen: Der 1. Mai ist ein Kampftag und er ist antiautoritär. Der Staat reagierte wie er es nun mal tut: Mit Repression und Gewalt.

Die Situation hier ist beschissen und nicht hinnehmbar, doch uns ist bewusst, dass viele Gefährt*innen noch weitaus härtere Kämpfe austragen müssen. Weltweit ist die Freiheit der Menschen unter Beschuss. In Russland werden Teenager wegen anarchistischen Gedankenguts zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Besetzte Häuser und Wälder in der BRD, Griechenland und an vielen anderen Orten wurden in letzter Zeit geräumt. In Myanmar hat das Militär geputscht, Anarchist*innen stehen dort mit vielen weiteren sozialen Rebell*innen an vorderster Front im Kampf gegen die Militärdiktatur. Russland marschierte in der Ukraine ein auch hier mussten Anarchist*innen eine Wahl treffen, die wir niemandem wünschen: Stellen sie sich auf Seite des Nationalstaates, der sie in Friedenszeiten verfolgt oder riskieren sie Putins Diktatur?

Und auch wenn die Augen der Welt auf der Ukraine liegen, gehen Kriege auf der ganzen Welt weiter. Rund um die Welt fallen Bomben, auch auf Syrien, wo der NATO-Staat Türkei ungehemmt weiter in Rojava mordet.

Es sieht schlimm aus auf der Welt, aber das ist nichts Neues. Wir können uns nicht erlauben zu resignieren, wir können uns nicht erlauben, nachzugeben oder abzustumpfen.
Gegen die Barbarei der Reaktion, gegen das blutige Geldscheffeln des Kapitalismus, gegen die Unterdrückung unserer Freiheiten, die historisch von Millionen Genoss*innen mühsam und leidvoll errungen wurden, heißt es jeden Tag zu kämpfen. Die Utopie, von der wir alle träumen liegt im Angesicht der autoritären Formierungen dieser Welt alles andere als in greifbarer Nähe.

Doch viele kämpferische Momente, die den Alltag lebenswert machen, geben uns Hoffnung. Die Selbstorganisation jenseits staatlicher Strukturen in Zeiten der Pandemie oder des Krieges lässt erahnen wie eine Welt der gegenseitigen Hilfe und Solidarität aussehen könnte. Momente der Hoffnung schufen auch all jene Jugendlichen, die sich in den beiden Corona-Sommern mit kämpferischem Widerstand den Bullen widersetzten, die ihre letzten verbliebenen Freiräume zerstören wollten. Mut machten uns auch die aufständischen Momente, die sich im Zuge der Inhaftierung Linas, der Räumung des Köpi-Wagenplatzes und der Bedrohung der Rigaer 94 ergaben, sowie alle anderen, die sich nicht unterkriegen ließen.

All diese Kämpfe, mögen sie auch noch so verschieden sein, finden sich wieder im

Gedanken der Anarchie, der sozialen Revolte. Sie zeigen uns, dass unsere Hoffnung auf ein besseres Leben im Anarchismus, dem freiheitliche Kommunismus, der antiautoritären Selbstorganisation und der Freien Assoziation liegt,

Wir stellen uns gegen die Vereinnahmung unseres Kampftages aller Unterdrückten, dem 1. Mai, durch Faschist*innen und die Verräter*innen von DGB und SPD. Wir stellen uns auch gegen autoritäre Strömungen, die die Botschaft der Solidarität missbrauchen, um zu hetzen und ihren menschenfeindlichen Einfluss auszubauen. Nur eine Gesellschaft der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe, die sich an unseren Bedürfnissen orientiert ist, bietet die Chance auf eine lebenswerte Zukunft.

Das wissen sie, die Regierenden, die Bullen, die Faschist*innen, die Autoritäten dieser Welt. Sie wissen, dass sie dieser Gesellschaft im Weg stehen und ihre Macht dort keinen Platz mehr hat. Deshalb ist ihnen die Anarchie schon immer ein Dorn im Auge. Deshalb versuchen sie uns auf der ganzen Welt klein zu halten. Mal mehr, mal weniger blutig. Deshalb ist Anarchismus eben verboten. Verboten Gut!

Kommt mit uns am 1. Mai 2022 auf die Straße. Für einen rebellischen und antiautoritären 1.Mai.

Unsere Wut und unser Hass müssen raus. Am Kampftag der Arbeiter*innenbewegung, wie an jedem anderen Tag. Wir nehmen uns die Straße – ob sie wollen oder nicht. Sie gehört uns allen. Den Lohnabhängigen, denjenigen, die marginalisiert werden, wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer Geschlecht(sidentität) oder Sexualität, wegen irgendwelchen menschengemachten Kategorien. Die Straße gehört der Klimabewegung, den FLINTA*-Personen1, den Unbequemen und allen Menschen, die die Schnauze voll haben und endlich in Freiheit und Solidarität, im Frieden mit allen Mitmenschen und dem Planeten leben wollen. Deshalb heißt es am 1. Mai: Verboten Gut – Anarchismus in die Offensive.

Schließt euch uns an – Im AnarchX-Block, im Klimablock, im FLINTA*-Block oder im bunten Block!

1.5.22 Maidemo, Hamburg, 18:00 Uhr S-Bahn Wilhelmsburg/Neuenfelder Straße

30.4.22 Vorabenddemo, Lübeck, 19:00 Uhr, Konrad-Adenauer-Platz

1FLINTA=Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-binäre, Trans-, Agender-Personen